Veröffentlicht am 30. Oktober 2023
Die diesjährige Studienwoche an der Kirchlichen Hochschule (KiHo) Wuppertal findet vom 20. bis 24. November 2023 unter dem Titel „Der Fall Sünde. Problematisierungen eines wesentlichen Phänomens“ statt.
In dieser Studienwoche wird „der Fall“ der Sünde aufgearbeitet: alttestamentliche, neutestamentliche, religionswissenschaftliche, philosophische, systematisch-theologische und praktisch-theologische Problematisierungen des wesentlichen Phänomens „Sünde“ werden in diskussionsanregenden Vorträgen geboten. Nachmittägliche Arbeitsgruppen ergänzen sprachliche, religionspädagogische und poimenische Aspekte. Eine Abendveranstaltung beschäftigt sich mit einer Filmanalyse. Die Tagung endet mit einem Abendmahlsgottesdienst.
Aber warum dieses Thema? Es bedarf keines längeren Nachdenkens, um zu sehen, dass in den öffentlichen Medien der Sündenbegriff nicht mehr mit irgendeiner sinnvollen Phänomenreferenz verwandt wird. Bezeichnungen wie „Verkehrssünden“, „sündige Meile“, das „Sündigen“ beim Verzehr süßer Speisen bis hin zur beliebten Teesorte „Kleine Sünde“ lassen mehr als nur ein belangloses Schulterzucken erkennen: eine Ironisierung im Sprachgebrauch.
Wo allerdings Ironisierungen im Sprachgebrauch vorherrschen, lässt sich auch eine ernste Seite, wie verborgen sie auch sein mag, erahnen: Wo man ironisiert, wehrt man sich gegen etwas, dessen Evidenz eindrücklich ist, dessen man sich aber begrifflich nicht so einfach erwehren kann. Das deutet darauf hin, dass der Sündenbegriff vielleicht doch ein Phänomen oder einen Phänomenkomplex benennt, den es theologisch zu beschreiben gilt – und dessen Beschreibung man besser nicht durch andere Terminologien ersetzen sollte.
Im Verlauf der Beschichte wurde der Sündenbegriff so marginalisiert, dass er nahezu unverständlich geworden ist. Experten raten daher dazu, erst einmal Worte zu retten, bevor Menschen gerettet werden können. Daher ist der Sündenbegriff zu erneuern.
Der erste Grund für die Rettung des Sündenbegriffs besteht darin, dass es keinen anderen Begriff gibt, der geeignet ist, sowohl den phänomenalen Bestand als auch dessen theoretische Erfassung zu benennen. Der zweite Grund dafür ist, dass der damit ausgewiesene Gegenstandsbereich so zentral für den christlichen Glauben ist, dass alles andere mit einem Identitätsverlust sowohl des Glaubens als auch der Theologie einherginge.
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