Vom 31. Mai bis 1. Juni 2024 luden der Evangelische Kirchenkreis und die Kirchliche Hochschule Wuppertal unter der Leitung von Superintendentin Ilka Federschmidt (li.) und Prof. Dr. Nicole Kuropka zu einer Fachtagung und einem Festgottesdienst ein. Anlass war der 90. Jahrestag der Veröffentlichung der Barmer Theologischen Erklärung.
Die sechs Thesen umfassende Erklärung stellt eines der bedeutendsten Dokumente der Geschichte des Protestantismus in Deutschland des 20. Jahrhunderts dar. Gemeinsam formulierten Lutheraner, Reformierte und Unierte theologische Glaubensgrundsätze, mit denen sie sich gegen die vom Nationalsozialismus beeinflusste Theologie und Kirchenpolitik der „Deutschen Christen“ wendeten.
Im Folgenden findet sich ein Rückblick auf die Fachtagung, den Festgottesdienst sowie die begleitende Informationen und Pressemitteilungen.
Die Fachtagung trug den Titel „Was Erinnern macht – Macht der Erinnerung“- 90 Jahre Barmer Theologische Erklärung (BTE)”. Sie trug dazu bei, sich (selbst-) kritisch mit der historischen Bedeutung sowie der Erinnerungsgeschichte der Erklärung von Barmen auseinanderzusetzen. Wie wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten an die Erklärung erinnert? In welcher Funktion stand die jeweilige Erinnerung? Von welchen Perspektiven ist unsere Erinnerung heute geprägt? Diese und andere Fragen wurden von Expertinnen und Experten in Fachvorträgen beleuchtet. An der Fachtagung nahmen rund 170 Gäste teil.
Die Fachtagung begann am Freitag, dem 31. Mai 2024, um 14:00 Uhr mit der Eröffnung durch Superintendentin Ilka Federschmidt und Prof. Dr. Nicole Kuropka und mit Grußworten von Dr. Thorsten Latzel, Präses der Ev. Kirche im Rheinland, von Dr. Ulf Schlüter, Theologischer Vizepräsident der Ev. Kirche von Westfalen, von Dr. Andar Parlindungan, Generalsekretär der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) sowie von Leena Nowoczin, Mitglied des AStA der Kirchlichen Hochschule Wuppertal.
Die Impulse am Nachmittag gaben Prof. em. Dr. Siegfried Hermle zum Thema „Die Barmer Theologische Erklärung in evangelischer Publizistik“ und Prof. em. Katharina von Kellenbach zum Thema „Helden und Heilige oder Täter und Versager: Welche Erinnerung ist heilsam?“
Am Samstag, dem 1. Juni 2024, begann Prof. Dr. Jürgen Kampmann mit einem Vortrag zum Thema „Die Bekennende Kirche als Gründungsnarrativ der EKiR – zwischen Wirklichkeit und Mythos“. Im Anschluss geht es in dem Beitrag von Prof. Axel Noack unter dem Titel „Am Anfang stand der Kompromiss – Die Bekennende Kirche und die Kirchenprovinz Sachsen“ um eine ostdeutsche Perspektive.
Gegen 13:00 Uhr am Samstag endete die Tagung.
Der Festgottesdienst fand am 31. Mai 2024 um 18.15 Uhr in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen statt – und damit genau an dem Ort, an dem die Barmer Theologische Erklärung 90 Jahre zuvor verabschiedet worden war. Die Predigt hielt Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck. Grußworte sprachen Dr. Uwe Schneiderwind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, Manfred Rekowksi, ehemeliger Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Oberkichenrat Martin Engels sowie der Wuppertaler Bundestagsabgeordnete Helge Lindh. Am Festgottesdienst nahmen rund 180 Gäste teil.
Die „Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche“ stellt eine der herausragenden Dokumente der Geschichte des Protestantismus in Deutschland des 20. Jahrhunderts dar. Am 31. Mai 1934 wurde die Barmer Theologische Erklärung (BTE), wie sie auch genannt wird, von der Bekenntnissynode in der Gemarker Kirche im Wuppertaler Stadtteil Barmen beschlossen. Gemeinsam formulierten Lutheraner, Reformierte und Unierte die sechs Thesen umfassende Erklärung, mit der sie sich gegen die vom Nationalsozialismus beeinflusste Theologie und Kirchenpolitik der Deutschen Christen wendeten.
Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums der Erklärung fand vom 31. Mai 2024 bis zum 1. Juni 2023 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal eine Fachtagung unter dem Titel „Was Erinnern macht – Macht der Erinnerung“- 90 Jahre Barmer Theologische Erklärung (BTE) statt. Sie ging der Frage nach, wie in den zurückliegenden 90 Jahren in unterschiedlichen Kontexten an die Barmer Theologische Erklärung erinnert wurde. In welcher Funktion das Erinnern an Barmen stand und welche Perspektiven unserer Erinnerung hieran heute prägen. Die Veranstaltungen wurden von der Kirchliche Hochschule Wuppertal unter Leitung von Frau Prof. Dr. Nicole Kuropka und von dem Evangelische Kirchenkreis Wuppertal unter Leitung der Superintendentin Ilka Federschmidt konzipiert und durchgeführt.
Zu Beginn beleuchtete Prof. em. Dr. Siegfried Hermle die Jubiläen „die Barmer Theologischen Erklärung in der evangelischen Publizistik“. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie zwischen Kriegsende und vor dem 50-jährigen Jubiläum der Barmer Theologischen Erklärung, eine Erinnerungskultur im breiten Kirchenvolk etabliert wurde. Dabei nahm Hermle vor allem die Jubiläen in den Jahren 1954, 1959, 1964 und 1974 in den Blick. An der insgesamt hohen Publikationsdichte zeigte sich, dass gezielt die Erinnerung an Barmen wachgehalten werden sollte. Gleichzeitig wies Hermle daraufhin, dass die immer wieder ausführliche historische Kontextualisierung des Dokuments darauf hindeutet, dass die Entstehungsgeschichte der Barmer Theologischen Erklärung für die Leserinnen und Leser nicht selbstverständlich, sondern erklärungsbedürftig war. Die Jubiläumsbeiträge aus den verschiedenen Jahrzehnten machten deutlich, dass es keine einheitliche Erinnerungskultur gab. Vielmehr war die Beurteilung der Synode und des Textes von 1934 auch unter den ehemaligen Synodalen disparat.
Prof. em. Katharina von Kellenbach fokussierte in dem Vortrag „Helden und Heilige oder Täter und Versager: Welche Erinnerung ist heilsam?“ den Antisemitismus in Kirche und Gesellschaft zur Zeit der Entstehung der Barmer Theologischen Erklärung und der Umgang damit bis heute. Sie erinnerte hier an den Antisemitismus in der Kirchenströmung der Deutschen Christen, der bereits vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten stark ausgeprägt war. Zwar hätten sich ein Teil der Bekennenden Kirche im September 1933 noch gegen die Einführung des Arierparagraphen (1933) in der Kirche gestellt, in der Barmer Theologischen Erklärung wurde hierzu allerdings geschwiegen. Von Kellenbach warf die Frage auf, inwieweit die Erklärung als Widerstand bezeichnet werden kann. Zudem wie Christen und Christinnen und die Kirchen, die sich auf die BTE beziehen, mit dieser Leerstelle umgehen und welche Herausforderung, sie für den interreligiösen Dialog zwischen Christen und Christinnen und Jüdinnen und Juden heute bedeute.
Am Samstag, dem 1. Juni 2024, begann Prof. Dr. Jürgen Kampmann mit einem Vortrag zum Thema „Die Bekennende Kirche als Gründungsnarrativ der EKiR – zwischen Wirklichkeit und Mythos“. Dabei ging er darauf zunächst auf die Zeit des Kirchenkampfes während des Nationalsozialismus ein. Bereits seit den Anfängen der Bekennenden Kirche sei im Rheinland an einem Gründungsnarrativ gearbeitet worden. Als Gemeinde unter dem Kreis verstand man sich in Zeiten der Bedrängnis, als dem Herrn der Kirche Treue Gemeinde in eschatologischer Zuversicht. Zwar wurde dieses Narrativ auch nach der NS-Zeit wieder aufgenommen und auch durch Kirchliche Zeitgeschichtsschreibung etabliert, jedoch mehrten sich in den 1950er Jahren zunehmenden kritische Stimmen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der BK in der NS-Zeit und dem idealisierten Narrativ fand sowohl öffentlich als auch auf Kirchenleitungsebene statt. So wäre es zu einer weiteren Ausbildung eines Gründungsmythos „Bekennende Kirche“ in der Evangelischen Kirche im Rheinland letztlich nicht gekommen, auch wenn sich Spuren dieses Narratives auch später noch finden ließen.
Im Anschluss folgte ein Beitrag von Prof. Axel Noack unter dem Titel „Am Anfang stand der Kompromiss – Die Bekennende Kirche und die Kirchenprovinz Sachsen“ und erweiterte damit die Erinnerung an Barmen um eine ostdeutsche Perspektive. Ausführlich ging Noack auf den Kirchenkampf in der Kirchenprovinz Sachsen ein, der weniger intensiv als in anderen Provinzen geführt wurde. Das war zum einen darauf zurückzuführen, dass sich hier radikale und gemäßigte BK-Anhänger nicht spalteten. Gleichzeitig gehörten viele Mitglieder (über 50% bei Kriegsende) weder der kirchenpolitischen Strömung der Deutschen Christen noch der Bekennenden Kirche an. Unter Ludolf Müller wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die verschiedenen Gruppen zur einer vorläufigen Geistigen Leitung der Kirchenprovinz Sachsen zusammengeführt. Die Barmer Theologische Erklärung spielte als Leitlinie zur neuen Grundordnung der Evangelischen Kirchen der Kirchenprovinz Sachsen, die nach fünfjährigem Arbeitsprozess im Juni 1950 verabschiedetet wurde, eine prägende Rolle. Die Berufung auf die BTE schien zu diesem Zeitpunkt kein Konfliktpunkt mehr zu sein.
Am 31. Mai 2021 unterzeichneten der Evangelische Kirchenkreis Wuppertal und die Kirchliche Hochschule Wuppertal einen Kooperationsvertrag, der die Erinnerung an die Barmer Theologische Erklärung lebendig halten soll. Die Chronologie der gemeinsamen Aktivitäten findet sich hier.
Im Zentrum der Kooperation steht die vom Kirchenkreis betriebene Dauerausstellung „Gelebte Reformation. Die Barmer Theologische Erklärung“ in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen. (https://barmen34.de). Hier wird es weitere Veranstaltung rund um das BTE-Jubiläum geben.
Die Hochschul- und Landeskirchenbibliothek Wuppertal besitzt einen Bestand von mehr als 1.000 Broschüren, Monografien und Zeitschriften aus der Zeit des Kirchenkampfes von 1933-1945. Der Bestand ist digitalisiert und unter dem Link https://viewer.hlb-wuppertal.de/viewer/browse/DC:kirchenkampf/-/1/-/-/ einsehbar.
Der Bestand der HLB ist auch Teil des Projekts „Die Digitale Bibliothek des Kirchenkampfes“ der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der evangelischen Kirche (AABevK). Der digitale Bestand des Projektes umfasst etwa 15.000 Publikationen. Weitere Infos finden Sie unter https://www.kirchenkampf.info/ oder über die Website der HLB (Weitere Angebote → Digitale Sammlungen).