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Dossier: KiHo-Studienwochen


Studienwochen richtet die KiHo Wuppertal seit 2002 aus. Das Format folgt der Idee, den normalen Lehrbetrieb für eine Woche zu unterbrechen und als ganze Hochschule (Lehrende und Studierende) an einem gemeinsamen Thema zu arbeiten, das sich aus verschiedenen Perspektiven der Theologie und angrenzender Wissenschaften betrachten lässt. In den letzten 20 Jahren spannten die Studienwochen den thematischen Bogen vom „Abendmahl“ über „Glaube und Politik“ bis zu „Theologie ‒Engels – Gerechtigkeit“. Die Studienwochen finden in der Regel Ende November / Anfang Dezember statt.

Im Folgenden dokumentieren wir die Themen der Studienwochen, die Programmhefte und weitere Dokumentationen (sofern verfügbar).

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Zusammenfassung der zentralen Vorträge

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof. Dr. Markus Mühling, Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie und Philosophie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, am 20. November 2023 eine Vorlesung zum Thema „Problematik und Phänomenologie der Sünde“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof‘in. Dr. Michaela Geiger, Lehrstuhl für Altes Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, am 20. November 2023 eine Vorlesung zum Thema „Von Fehlern und Verbrechen – Sündenfälle im Alten Testament“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof‘in. Dr. Konstanze Kemnitzer, Inhaberin des Lehrstuhls für Praktische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, eine Vorlesung zum Thema „Muster der Sünde. Praktisch-theologische Beobachtungen zur digitalen Gesellschaft“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof‘in. Dr. Claudia Janssen, Inhaberin des Lehrstuhls für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, eine Vorlesung zum Thema „Warum Paulus nicht von Sünde spricht. Die Schreckensherrschaft der Hamartia im Brief an die Gemeinde in Rom“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof. Dr. Anton Koch, Professor i.R. für Philosophie an der Universität Heidelberg, eine Vorlesung zum Thema „Wie ging die Welt verloren? Überlegungen zum Ursprung des Bösen“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hielt Prof. Dr. Henning Wrogemann, Inhaber des Lehrstuhls für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, eine Vorlesung zum Thema „Wie „kontextuell“ ist Sünde? – Interkulturelle Perspektiven Christlicher Theologie zwischen Universalität und Partikularität “.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

Im Rahmen der Studienwoche zum Thema „Der Fall Sünde“ hilet PD Dr. Simone Neuber, Privatdozentin für Philosophie an der Universität Jena und der University of Notre Dame, eine Vorlesung zum Thema „Gefallene Selbsthermeneutik im Ausgang von Kierkegaard“.

Die Zusammenfassung des Vortrags wird in Kürze an dieser Stelle veröffentlicht.

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Zusammenfassung der zentralen Vorträge

Den Eröffnungsvortrag der Studienwoche hielt Dr. Daniela Reitz, Chefärztin der Frauenklinik am Elisabeth-Krankenhaus in Essen. Als Einstieg in das Thema der Woche „Lebensanfang. Theologische und ethische Perspektiven“ gab sie einen Einblick in welchem Spannungsfeld zwischen medizinischen, juristischen und institutionellen Wertehaltungen sich der der Alltag einer großen Klinik befindet.

Wann beginnt menschliches Leben?

Zunächst ging Dr. Reitz der Frage nach, wann menschliches Leben beginnt. Schon bei der Befruchtung, erst als Embryo oder gar erst bei der Geburt? Grundgesetz und Embryonenschutzgesetz geben hier den juristischen Rahmen vor. Die Medizinerin zeigte auch die Ansichten der katholischen wie evangelischen Kirche auf.

Dann stellte Dr. Reitz den Zuhörer*innen aus medizinischer Sicht dar, wie menschliches Leben entsteht – natürliche Empfängnis oder künstliche Empfängnis (auch mit Blick auf die juristischen Regelungen) und die Entwicklung der Eizelle bis zur Geburt. Die möglichen Probleme einer Schwangerschaft erläuterte sie auch für Nichtmediziner verständlich – ebenso wie die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik.

Der Beratungsbedarf der Eltern wächst

Die wichtigsten Fakten des Vortrags von Dr. Reitz:

  • Schon in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche können durch Organdiagnostik und Untersuchungen Fehlbildungen in der Entwicklung festgestellt werden – und in vielen Fällen in dieser Phase durch operative Eingriffe behoben werden.
  • Der Geburtsvorgang stelle das Kind dann vor die Herausforderung, dass es mit der Abnabelung selbstständig atmen und sein Kreislauf sich innerhalb weniger Minuten umstellen müsse.
  • Der Beratungsbedarf der Eltern wächst. Das hat Dr. Reitz nach eigenen Angaben in ihrer 20-jährigen Berufstätigkeit festgestellt.

Nachdem Prof. Graumann, Professorin für Ethik und Rektorin an der Ev. Fachhochschule Bochum, sich durch den Schnee zur Studienwoche gekämpft hatte, hielt sie ihren Vortrag zu ihrem Herzensthema „Die Ethischen Fragen am Lebensanfang aus beziehungsethischer Sicht“.

Sie begann mit praktischen Themen zum Embryonenschutzgesetz und führte aus, dass der Schwangerschaftsabbruch eines der umstrittensten Themen und von der Selbstbestimmung der Frau über das Geschlechterverhältnis zur sozialen Rolle zu einem aufgeladenen moralischen Thema geworden sei. Rechtlich sei es nach §218a geregelt, aber die Handhabung variiere zwischen den Bundesländern.

Das Dilemma der Moralphilosoph*innen

Moralphilosophisch ist der „moralische Status“ laut Prof. Graumann maßgebend für das ungeborene Leben. Grundsätzlich habe jedes Subjekt ein Recht auf Leben. Die „pro life Position“ mit einer engen und strikten Perspektive werde häufig von deontologischen Theologen in den USA vertreten. Die „pro choice Position“ dagegen vertrete, dass der Mensch vor seiner Geburt noch keine Person und ein Schwangerschaftsabbruch moralisch unproblematisch sei. Allerdings widerspreche dieser Position, dass ein Säugling unter besonderem rechtlichen Schutz stehe.

Inzwischen habe diese Position die Mehrheit unter Moralphilosoph*innen, die aber – so Prof. Graumann – der Situation der Frauen nicht gerecht werde. Vermittelnde Positionen dazwischen nähmen eine graduelle Zunahme des moralischen Status mit der Entwicklung an, die aber auch wieder nicht der besonderen Position einer Schwangerschaft gerecht würden wie das Beispiel des „berühmten Geigers“ zeige. Es gebe ein moralisches Dilemma, da offenbar nicht beide Seiten geschützt werden könnten: das Recht der Frau auf Selbstbestimmung der Frau sowie der unbedingte Schutz des ungeborenen Lebens.

Pflichtenteilung während der Schwangerschaft

In diesem Spannungsfeld entwickelte Frau Prof. Graumann angelehnt an Kant anhand der existenziellen leiblichen Sorge-Beziehung in der Schwangerschaft eine Aufteilung von Rechts- und freiwilligen, inneren Tugendpflichten sowie den Wohltätigkeitspflichten und letztlich ihre Position, dass der Zwang zum Austragen eine moralische Überforderung der Frau wäre.

Der zweite Tag der Studienwoche startete mit einem Vortrag von Dr. Peter Hofmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Mainz. Der Titel des Vortrags lautete: Anfänge des Lebens. Eine soziologische Perspektive und ethnografische Einblicke. Darin ging er der zentralen Frage nach, ob das heranwachsende Kind im Mutterleib bereits Teil dieses Zusammenlebens sei. Aus soziologischer Perspektive sei dabei nicht relevant, ab wann das Mensch-Sein beginne, sondern ab wann der Mensch sozial und kommunikativ hervorgebracht werde.

Startpunkt Schwangerschaftstest

Anhand von Schwangerschaftstagebüchern, die im Rahmen einer Studie ausgewertet wurden, gab Dr. Hofmann einen Einblick, wie zukünftige Mütter mit einer Schwangerschaft umgingen. Startpunkt sei oft ein positiver Schwangerschaftstest oder das erste Ultraschallbild, das das werdende Kind bereits deutlich zeige. Mit der Bekanntmachung „Ich bin schwanger.“ folge anschließend die Herstellung des Schwangerschafts-Publikums. Zudem verändere die Aussage die Lebenswelt des Nachrichten-Empfängers: Der Partner werde zum Vater, die Mutter zur Oma und so weiter. Damit beginne auch die “soziale Schwängerung“, die das Umfeld typischerweise durch ein “Wann ist es denn endlich so weit?“ einläute.

Die daran anschließende Zukunftsphantasie „Kind“ könne dazu führen, die Beziehung zur Parnter*in auf die Probe und die eigene Situation und das soziale Umfeld in Frage zu stellen. Zudem stelle die werdende Mutter bereits (un-)bewusst ihre Lebensgewohnheiten um, etwa indem sie gesünder lebe. Die Tagebücher zeigten, dass in dieser Phase neben der Vorfreude auf das Kind auch die Ängste und Bedenken der Mütter wüchsen.

Die leibliche Sondierung des Ungeborenen

In der fortschreitenden Schwangerschaft beginne dann die leibliche Sondierung – das erste Fühlen des Kindes im Mutterleib und das Lernen, die Signale des Ungeborenen im Bauch zu deuten – auch von Seiten der Väter, die den Bauch fühlen und vielleicht schon anfingen, mit dem Ungeborenen zu sprechen. So werde das ungeborene Kind immer mehr zum Teil des Zusammenlebens

Prof. Dr. Michaela Geiger, Professorin für Altes Testament an der KiHo, führte in ihrem Vortrag in die bildhafte Darstellung der Schöpfung als Geburt im Alten Testament ein. Hebammen hatten in der Antike in ihrer Tätigkeit das Exklusivrecht, Männer waren bei der Geburt nicht anwesend. In Ezechiel 16 wurden konkret die Aufgaben der Hebamme beschrieben, die allerdings zum Teil metaphorisch gemeint sind, z.B. das Einreiben des Neugeborenen mit Salz als Abwehr des Unheils.

Theologisch wird Gott als Hebamme beschrieben

Theologisch werde Gott als Hebamme in Psalm 22 beschrieben, zitierte Prof. Geiger: „Du ziehst mich aus dem Bauch.“ Im Psalm würden weitere Begriffe der Mutter wie „Mutterleib“, „Brüste“ und „Gebärmutter“ aufgeführt. Umstritten sei die Deutung der Stelle „auf dich bin ich geworfen“, die vermutlich auf die radikale Angewiesenheit auf Gott hinweise, wobei Gott Teil der intimen Beziehung zwischen Mutter und Kind als Hebamme sei.

Trotz der weiblichen Rolle werde Gott durchgehend mit männlichen Pronomina bezeichnet. In Jesaja 42 werde Gott auch als pathischer, leidenschaftlich leidender Gott und Gebärerin Israels vorgestellt. In der Außenperspektive sei Gott männlich, in der Innenperspektive dagegen weiblich.

Forderung, die Metapher “Gott Vater” neu zu denken

Gott-Metaphern seien nicht einleuchtend oder selbstverständlich, so Prof. Geiger weiter, und sollten es auch nicht sein. Insofern sei die Entwicklung des alttestamentlichen Gottesbildes hin zur monotheistisch gewordenen Gottheit der nachexilischen Zeit als weibliche Gottheit der Hebamme und Gebärerin eine heilsame Irritation. Sie fordere laut Geiger auch indirekt auf, die Metapher „Gott als Vater“ neu zu denken und wieder neu zu entdecken.

Am Ende stellte Prof. Geiger die Frage an das Publikum, ob sich die Anwensenden auch heute noch an die alttestamentlichen Vorstellungen von Schöpfung als Geburt anknüpfen könnten. Daraufhin entwicklte sich eine spannende Diskussion.

Der zweite Seminartag schloss mit einem Vortrag Dr. Melanie Mordhorst-Mayer, der Studienleiterin von @studium_in_israel, die aus Jerusalem zugeschaltet wurde. Sie stellte eindrücklich und mit vielen Beispielen dar, wie Entscheidungen zu Lebensfragen u.a. im Judentum getroffen werden. Dabei gebe es, so Mordhorst-Mayer, DIE jüdische Position nicht.

Der Rabbi als Wegbereiter

Viele Richtungen und Strömungen kennzeichneten die Religion, führte die Expertin aus. Um eine Entscheidung vorzubereiten, wendeten sich die Mitglieder der Gemeinde mit ihrem speziellen Problem an den Rabbi ihres Vertrauen. Dieser gebe es ggf. weiter an einen speziell zum Thema ausgebildeten Rabbi, den Posek. Anhand der Responsien – einer gewachsenen Sammlung von Entscheidungen – werde dann eine Entscheidung speziell für die Situation der Fragestellenden gefunden: Gottes Wort für diesen Fall.

Passend zur Studienwoche nahm Dr. Mordhorst-Mayer die Teilnehmenden mit in die jüdische Diskussion zum Thema Schwangerschaftsabruch anhand der Postionen von Rabbi Eliezer Weinberg und Rabbi Moshe Waltenberg

Kinderwunsch erfüllen mit Samenspende & Co. Das war – etwas verkürzt – das Thema des Vortrags der Sozialarbeiterin, Familien- und Sozialtherapeutin Petra Thorn am dritten Tag im Rahmen unserer Studienwoche. Sie erklärte, wie die Familienbildung mit Hilfe Dritter funktioniere, welche Möglichkeiten es gebe und was das für die betroffenen Eltern bedeute.

Die Problemstellungen bei Beratung und Behandlung

Thorn nahm die Zuhörer*innen mit in die Problemstellungen im Rahmen der Beratung und Behandlung (Angst vor Stigmatisierung, Verlust des Selbstwertgefühles), die Bedürfnisse der „künstlich“ gezeugten Kindern (Wunsch, genetische Familie zu finden) und zeigte die gesellschaftlichen Folgen durch die Familienbildung mit Hilfe Dritter auf (neue Formen von Familie sind entstanden; mögliche Legalisierung von Eizellenspende auch in Deutschland).

Neben der Gestaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen, so ihr Fazit, seien die Suche nach (wertschätzenden) Terminologien und Erarbeitung von Konzepten dringende Aufgaben.

„Da hüpfte das Kleine in ihrem Bauch“ (Lk 1,41) – Neutestamentliche Aspekte zum Thema Geburt.” So lautete der Titel des Vortrags von Prof.‘in Dr. Claudia Janssen, Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, der das Publikum in die Zeit des Lukasevangeliums und die poetische Gesamtkomposition des Evangeliums führte.

Elisabet und Maria: Zwei schwangeren Frauen

Dieses beginne mit der Geschichte von zwei schwangeren Frauen: Elisabet und Maria, erklärte Prof. Janssen. Monat für Monat verfolge es ihre Schwangerschaften bis zur Geburt der Söhne in einer Chronologie, die systematisch sei. In diesem chronologischen Mittelpunkt liege die Begegnung der beiden prophetischen Frauen: die alte Frau Elisabet und die junge Frau Maria. Maria, hebräisch Mirjam, rufe die Erinnerung an die Exodusgeschichte auf. Gleichermaßen sei das Motiv der Unfruchtbarkeit der Elisabet die Fortsetzung der Geschichten, die bei Sara in Genesis begännen. So sei die Geschichte in dieser Kontinuität wie die „fünfte Staffel“ zu verstehen.

In dem prophetischen Ausruf Elisabets sei die Frucht in ihr die eschatologische Aussicht. Auch die Auferstehungserfahrungen seien ähnlich dargestellt wie die Situation der Geburt. Letztlich ende die Erzählung von Elisabet und Maria mit der Segnung Marias durch Elisabet, so wie Jesus die Jünger am Ende des Lukasevangeliums segne.

“Fragt nicht, wer der Vater des Kindes ist.“

Spannend waren auch die Ausführungen, sozialgeschichtlich die Herkunft Jesu in Zeiten zu betrachten, in denen Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt wurden. Es war allen gegenwärtig, dass der Heilige Geist (Pneuma gr., neutral) aus dem Hebräischen „Ruach“ weiblich ist, schilderte Prof. Janssen. Demzufolge ist es nachvollziehbar, dass das Geheimnis deswegen auf eine Aufforderung hinweist. Diese lautet: „Frag nicht nach, wo es herkommt. Fragt nicht, wer der Vater des Kindes ist.“

Schade sei, so Prof. Janssen, dass grundsätzlich Erzählungen von Frauen in ihrer Bedeutung unterschätzt würden und viel zu wenig bekannt seien. Zumindest die Zuhörer*innen waren nach diesem Vortrag von der Kraft der Erzählung über die beiden Prophetinnen begeistert.

Porf. Dr. Tina Jung, Politikwissenschaftlerin an der Otto von Guericke Universität Magdeburg, blickte in ihrem Vortrag in die Politik der Geburt, in die Aspekte der gesellschaftlichen Organisation des Gebärens und in-die-Welt- Kommens von gesellschaftlicher Seite auf Fragen der Geburt.

Zwei Modelle prägen das Verständnis von Geburt

Geburt sei, so Prof. Jung, nicht nur ein biomedizinscher Vorgang, sondern auch ein sozialer Prozess. Zwei Modelle seien prägend für das Verständnis von Geburt: Das biomedizinische Modell, welches die Geburt als gefährlichen Herstellungsvorgang sieht, der technischer Überwachung und ärztlicher Stellung bedarf. Im Gegensatz hierzu stehe das natürlich-physiologische Modell, welches Geburt als normalen und gesunden Prozess definiere und die ganzheitlichen Ressourcen der Gebärenden im Fokus habe.

Im Weiteren stellte Prof. Jung dar, wie sich der Ort der Geburt historisch verlagert hat: war es zunächst die Hausgeburt mit Hebamme und weiteren weiblichen Helferinnen, verlagerte sich ab dem frühen 19. Jahrhundert die Geburt in die Geburtsklinik, als Ort für die Ausbildung von Ärzten und neuer Ort der Geburt – vor allem für Frauen am Rande der Gesellschaft. Erst ab den 1950er Jahren habe sich die Klinik-Geburt mehr und mehr durchgesetzt. Ab den 1980er sei der Trend hin zu Hausgeburten gegangen, ab den 1990er Gründung hin zu Geburtshäusern.

Geburten müssen “wirtschaftlicher” werden

Zudem warf Prof. Jung einen Blick auf die ökonomische Komponente der Geburt. Es zeige sich, dass Geburten „wirtschaftlicher“ werden müssten. Die aktuelle Situation: Aufgrund des Kostendrucks sowie personeller Ressourcen seien immer mehr Kliniken gezwungen, die Geburtsstation zu schließen. Damit steige die Zahl von Gefährdungsanzeigen (Gefahr für Mutter und Kind bei der Geburt besteht) sowie die Situation, dass Gebärende, bei denen der Geburtsprozess bereits begonnen habe, von der Klinik abgewiesen würden. Die optimale Versorgung bei der Geburt sei in vielen Bundesländern gefährdet.

Entsteht aufgrund der Entwicklungen die Notwendigkeit, eine neue, spezielle Form der Seelsorge für alle am Geburtsprozess Beteiligten zu entwickeln? fragte Prof Jung am Ende Ihres Vortrags. Diese Frage stellt sich wohl allen Theolog*innen.

„Lebensschutz durch Strafrecht? Die neue Diskussion um §218 StGB als Herausforderung für Kirche und Theologie“. So lautete der Titel des Vortrags, den die Theologin Ruth Denkhaus vom Zentrum für Gesundheitsethik an der Evangelischen Akademie Loccum hielt.

Die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs

Die Faktenlage: Der Paragraph 2018 stellt einen Schwangerschaftsabbruch seit Verabschiedung des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1871 unter Strafe. Das strafrechtliche Verbot führt zwar durch die Kombination aus Beratungs- und Indikationsregelungen in den meisten Fällen zu einem straffreien Abbruch, dennoch wird von „Kriminalisierung“ des Schwangerschaftsabbruchs gesprochen. Deswegen hat sich die amtierende Regierung per Koalitionsvertrag dazu verpflichtet zu prüfen, ob die Regulierung für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches stattfinden solle. In der Kommission ist auch ein Bevollmächtigter des Rates der EKD der Bundesregierung vertreten. Dabei geht es der EKD um die Balance von Lebensschutz des Ungeborenen und der Selbstbestimmung der Frau.

Spannende Meinungsbildung innerhalb der EKD

Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der EKD sei damals wie heute spannungsreich und von großer Pluralität geprägt, schilderte Denkhaus. Insgesamt gebe es die Tendenz, den Abbruch zu erlauben, allerdings in sehr engem Rahmen mit dem Verweis auf den Unterschied zwischen Recht und Ethik. Die historische, theologisch-ethische Argumentation weise in ihrer Kontinuität auf eine relativ unreflektierte Hermeneutik entsprechender Bibelstellen.

Die Referentin beschrieb weiterhin verschiedene Haltungen wie z.B. die Schutzwürdigkeit des Ungeborenen eher kontinuierlich zunehmend zu verstehen. Dies gehe implizit bereits aus der Haltung der EKD hervor. Ihr Fazit: Man könne und solle das Austragen einer Schwangerschaft nicht strafrechtlich erzwingen. Es sei die ureigenste, unauflösliche Einheit zwischen Embryo und Schwangeren, die die Verantwortungssphäre der Frau begründe, die nicht durch die staatliche Machtausübung beschränkt werden dürfe.

Am Ende der sehr spannenden Woche hielt Prof. Dr. Joachim von Soosten den Abschlussvortrag mit systematisch-theologischen Überlegungen zur Philosophie der Natalität.

Von Soosten betrachtete mithilfe der Philosophin Hannah Arendt den Anfang des Lebens. Arendt hatte 22-jährig über den Liebesbegriff von Augustinus promoviert und den Satz von Augustinus „Damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen.“ („Hoc initium ergo esset, creatus est homo“) in das Zentrum ihrer Philosophie der Natalität oder „Gebürtlichkeit“ gestellt. Die Jüdin Arendt selbst sagte, dass sie in ihrem von Flucht geprägten Leben oft wünschte, nicht mehr leben zu müssen. Mit Vita activa schrieb sie gegen die Verschattung an. Und in ihrer Entscheidung für das Leben setzte sie mit der Frage nach der Einzigartigkeit des Menschen ein.

Jeder Mensch ist ein “initium”

Weil jeder Mensch aufgrund seines Geborenseins ein „initium“ sei, könnten oder müssten – nach Arendt – sie sogar die Initiative ergreifen, so Prof. von Soosten. Dadurch unterschieden sich Menschen in “Jemand” oder “Niemand”.

Von Soosten verband das Thema mit dem Fest der Taufe, in der Menschen bei ihrem Namen gerufen und damit als Jemand angesprochen würden. Damit würden sie überführt in den Namen des dreieinigen Gottes, was zur Folge habe, das sie sich nicht erst einen Namen machen müssten.

Die Welt immer wieder neu erhellen

Nicht retrospektiv in der Erinnerung der eigenen Taufe, so Prof. von Soosten weiter, sondern immer wieder als Vor-Erinnerung an die kommende adventliche Gastfreundschaft Gottes, werde im Resonanzraum endlicher Freiheit und Dissonanzen bleibender Machtverhältnisse die Einladung offenbar, den Lebensanfang als Anfang aus lauter Anfängen verstehen zu lernen. Das wiederum bedeute, dass der Mensch immer wieder neu und anfänglich ermutigt werde, die Welt in einem Licht zu sehen lernen, welches diese Welt auf eine andere, neue Weise erhelle.

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Vortrag

„Die Zukunft des Protestantismus und die Rolle von Landes- und Freikirchen“ – KiHo veröffentlicht Video zum Vortrag des Präses

„Die Zukunft des Protes­tantismus und die Rolle von Landes- und Frei­kirchen“ – Diesen Vortrag hielt Dr. Thorsten Latzel, Präses der Ev. Kirche im Rheinland (EKiR) im Rahmen der Studienwoche „Wie geht Kirche? Landes- und Freikirchen“, die vom 13. bis 17. Dezember 2021 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) stattfand. Das Video zum Vortrag hat die KiHo nun veröffentlicht. 

Die Gesellschaft befindet sich in tiefgreifenden, schnellen Transformationsprozessen. Das macht Institutionen fragil – und zugleich verleiht es ihnen als Garanten von Stabilität und Orientierung eine besondere Bedeutung. Voraussetzung ist, dass sie sich selbst als agil und anpassungsfähig erweisen. In seinem Vortrag ging der Präses daher dem Verhältnis von Fragilität und Agilität im Blick auf Landes- und Freikirchen nach.

Dr. Latzel vertrat die These, dass Landeskirchen für die Kommunikation des Evangeliums auf absehbare Zeit eine zentrale Organisationsform des Protestantismus in Deutschland bleiben werden. Ihre Potentiale würden die Landeskirche aber nur nutzen, wenn sie ihre Vorzüge auch konsequent umsetzten – in hybriden Gestalten mit Netzwerk- und Plattformlogiken. Dabei werde es zugleich um die Frage gehen, worin die jeweiligen Vorzüge von Landeskirchen bzw. Freikirchen bestehen und wie sie diese entfalten könnten.

Zudem beantwortete Dr. Latzel diese Fragen aus dem Publikum:

  • Wie stehen Sie zum Thema „Geschlechtliche Identität“? Hat die LGBTQ+-Bewegung einen Platz in der evangelischen Kirche?
  • Wie sehen Sie die Zukunft der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo)?
  • Welche Ansätze verfolgt die Ev. Kirche im Rheinland beim Thema „Gemeindemanagement“? Wie will sie Pfarrer*innen bei diesem Thema künftig besser unterstützen?
  • Wie sehen Sie die Zukunft des Pfarrberufes? Stimmt es, dass Pfarrer*innen künftig vielleicht nicht mehr verbeamtet werden sollen?
  • Welche Ziele verfolgen Sie mit den Erprobungsräumen? Sehen Sie darin etwas Zukunftsweisendes?
  • Gibt es eine politische Dimension von Kirche? Wenn ja: Wie will Kirche diese Dimension aktiv zum Ausdruck bringen?
  • Die Kirche soll zu den Menschen kommen. Welche Rolle kann das Landeskirchenamt dabei spielen?
  • Die Partizipation ist bei Freikirchen größer als bei Landeskirchen. Was planen Sie, um die Konsumhaltung der Mitglieder und die Zentrierung auf Amtspersonen zu verringern?
  • Die Verwaltungskosten sind zu hoch. Wie wollen Sie das ändern?
  • Wie können Kirchenbesucher*innen stärker an der Verkündigung und am Gemeindeleben partizipieren?

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Frühere Studienwochen ohne Programmhefte

2012 Diakonie
2011 Taufe
2010 Kreuz
2009 Bibel – Spaten – Geschichte
2008 Sichtbarkeit des Glaubens
2007 Kirche
2005 Glauben lernen
2004 Sterben und Tod
2003 Gebet
2002 Abendmahl