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Dossier: Widerständige Theologie an der KiHo Wuppertal


Am 1. November 1935 nahm die Kirchliche Hochschule (KiHo) für reformatorische Theologie in Wuppertal ihren Lehrbetrieb auf – verdeckt als Abteilung B der Theologischen Schule Elberfeld e.V. Die geheime Gründung durch Mitglieder der Bekennenden Kirche folgte der Erkenntnis, dass die Kirche für die Ausbildung ihres Pfarrernachwuchses selbst verantwortlich und in Abwehr einer Gleichschaltung der theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten durch den Nationalsozialismus notwendig sei. Gut ein Jahr später wurde die KiHo durch die Nationalsozialisten geschlossen. (-> Die Geschichte der KiHo)

Kurz nach Ende der Nazi-Herrschaft, am 1. November 1945, nahm die KiHo Wuppertal ihren Lehrbetrieb wieder auf. Seitdem gehört eine widerständige Theologie in Tradition der Bekennenden Kirche zu ihrem Profil. (-> Die Missionen der KiHo). Rund um den 1. November eines jeden Jahres wird daher an der KiHo an die eigene Gründung erinnert.

Im Folgenden dokumentieren wir die Aktionen und Aktivitäten, mit denen diese Erinnerungsarbeit seit 2020 rund um das Datum des 1. November erfolgt.

Vom 9. November 2022 bis zum 25. Februar 2023 ist in der Hochschul- und Landeskirchenbibliothek (HLB) – und damit erstmalig in Wuppertal – die Ausstellung „Rebellinnen – Frauen verändern die Welt“ zu sehen. Die HLB zeigt die Ausstellung in Kooperation mit der Kirchlichen Hochschule (KiHo) Wuppertal.

„Rebellinnen – Frauen, die die Welt verändern“ präsentiert 30 Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten aus dem deutschsprachigen Raum und aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Viele sind berühmt, andere weniger bekannt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie für ihre Überzeugungen und Rechte gekämpft haben, die Gesellschaft prägten und sie ein Stück besser machen wollten bzw. wollen. Ihre Geschichten erzählen von stillem Widerstand und von lauter Rebellion, von mutigen Taten und ungewöhnlichen Entscheidungen, Unangepasstheit und Willensstärke. Es sind Frauen, die bestehende Strukturen hinterfragten, die Gesellschaft herausforderten und sich über Konventionen und Normen hinwegsetzten – und es bis heute tun.

Alle Informationen zur Ausstellung finden sich >>> hier >>>.

Am 1. November 2022 verlieh die Kirchliche Hochschule (KiHo) Wuppertal die Ehrendoktorwürde an den Theologen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Moltmann. Der Festakt fand von 15.00 bis 18.00 Uhr auf dem KiHo-Campus statt. Dem Festakt wohnten rund 150 Gäste bei. Sie nutzten die Chance, den renommierten Theologen bei einem seiner selten gewordenen Auftritte live und persönlich zu erleben.

Alle Infos zur Veranstaltung finden sich >>> hier >>>.

Unter dem Titel „Vielfalt bilden. Erinnern. Erfahren. Aus der Geschichte mit rassistischem Terror lernen.“ richtete die Kirchliche Hochschule in Wuppertal vom 30. Oktober bis zum 6. November 2021 eine Aktionswoche mit zahlreichen Veranstaltungen aus.  

„Mit der Aktionswoche schlägt die Kirchliche Hochschule einen Bogen zwischen dem Tag ihrer eigenen Gründung am 31. Oktober 1935 bzw. dem Tag ihrer Wiedereröffnung am 31. Oktober 1945 und der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds, auch NSU genannt, die sich am 4. November zum zehnten Mal jährt“, sagte Prof. Dr. Konstanze Kemnitzer, Rektorin der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. „Wir wollen damit ein starkes Zeichen gegen jede Form der Diskriminierung setzen und gemeinsam mit Wuppertalerinnen und Wuppertalern darüber diskutieren, wie demokratieförderndes Lehren und Lernen in einer pluralen Gesellschaft auf lokaler Ebene gelingen kann.“

Wuppertal ist die Stadt der Barmer Theologischen Erklärung, die Mitglieder der Bekennenden Kirche 1934 als Akt des Widerstands gegen den erstarkenden Nationalsozialismus veröffentlichten. Die Kirchliche Hochschule wurde ein Jahr später gegründet und kurze Zeit später verboten. Heute studieren auf dem Campus der Kirchlichen Hochschule rund 200 Menschen evangelische Theologie. Viele leben zudem in einem der Wohnheime.

Auf dem Campus fand auch die Aktionswoche statt, die die Themen „Diskriminierung“, „Verfolgung“ und „Terror“ aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtete und Interessierte zum Diskurs einlud. „Die Anschläge von Halle und Hanau haben gezeigt, dass in Deutschland auch nach der Enttarnung des NSU aus rassistischen und antisemitischen Motiven gemordet wird“, sagte Kemnitzer. „Wir wollen daran erinnern, dass auch die Freiheit von Lehre, Forschung und Glaube immer wieder zu verteidigen ist.“

Die vollständige Übersicht über die Aktionswoche findet sich hier: https://aktionswoche-2021.kiho-wuppertal.de.

Am 1. November 2020 jährte sich die Wiedereröffnung der Kirchlichen Hochschule Wuppertal nach dem Ende der Nazi-Diktatur zum 75. Mal. Lehrende und Studierende gedachten des Jubiläums in einem Gottesdienst. Denn die Freiheit für Forschung und Lehre ist weltweit wieder akut gefährdet.

Am 1. November 1945 startete die Kirchliche Hochschule (KiHo) in Wuppertal einen Neuanfang. Dem morgendlichen Festgottesdienst in der Unterbarmer Pauluskirche folgte am Nachmittag die Eröffnungsfeier im Rotter Vereinshaus in der Rödigerstraße. „Es hat allerlei Mühe gekostet, in einer weithin zerstörten Stadt und unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen die Theologische Hochschule in Wuppertal, die vor zehn Jahren bei ihrem ersten Entstehen von den damaligen Machthabern sofort verboten wurde, wieder ins Leben zu rufen“, sagte der damalige Leiter Otto Schmitz. „Aber wir haben die Zuversicht, dass die noch bestehenden Schwierigkeiten Schritt für Schritt behoben werden.“

Theologischer Lehrbetrieb in Freiheit und Frieden

Trotz aller Probleme: Erstmals wurde in Freiheit und Frieden an der KiHo Theologie gelehrt und erforscht.

Die Kirchliche Hochschule ist die älteste wissenschaftliche Hochschule in Wuppertal. Sie wurde 1935 von Mitgliedern der Bekennenden Kirche gegründet – aus Widerstand gegen die nationalsozialistische Gleichschaltungspolitik, die das totalitäre Führerprinzip mit aller Macht auch in den theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten durchsetzte. Getarnt als Abteilung B der Theologischen Schule versuchten daher einige Dozenten und Studierende im Logenhaus in der (heutigen) Kolpingstraße, einen unabhängigen Lehrbetrieb aufzubauen, der christlichen Werten verbunden blieb. Kurz vor Weihnachten 1936 aber verbot die Gestapo den Unterricht – und beendete dieses mutige Abenteuer.

75 Studenten und zwei Studentinnen starteten ins Wintersemester 1945/46

Nach Kriegsende war die KiHo eine der ersten Hochschulen, die wieder öffneten. Schon am 4. Juni 1945 trafen sich Vertreter der Bekennenden Kirche in der Villa Halstenbach in Wichlinghausen, darunter die Barmer Pfarrer Johannes Schlingensiepen und Harmannus Obendiek, um den Neuanfang zu planen. Knapp zwei Wochen später entschied sich das vorläufige Kuratorium für das Missionshaus auf der Hardt als künftigen Standort. Und nachdem am 18. Oktober die Genehmigung durch die Militärregierung erfolgte, starteten am 1. November 75 Studenten und zwei Studentinnen ins Wintersemester 1945/46.

Seitdem hat sich die KiHo stark verändert. Während die Anfänge von Enge und Improvisation geprägt waren, entstand im Laufe der Jahre auf dem Heilligen Berg ein einzigartiger und moderner Campus, der die vier Grundpfeiler des Theologiestudiums Lehre, Forschung, Gemeinschaft und Glaube durch die kurzen Wege zwischen Hörsälen, Bibliothek, Wohnheimen und Kapelle auch baulich zusammenführt. In Kooperation mit dem Internationalen Evangelischen Tagungszentrum finden hier heute regelmäßig renommierte wissenschaftliche Tagungen statt. Und durch die Fusion der beiden Standorte Wuppertal und Bethel 2007 rückte die Diakoniewissenschaft neben der Theologie zum zweiten Studienschwerpunkt auf.

Geblieben ist die Unabhängigkeit vom Staat. Bis heute befindet sich die KiHo allein in kirchlicher und diakonischer Trägerschaft. „Diese Unabhängigkeit ist Teil unseres Selbstverständnisses“, sagt Prof. Dr. Konstanze Kemnitzer. „Wir werden auch in Zukunft Orte brauchen, an denen theologische Forschungsfreiheit in Ergänzung zu den staatlichen Fakultäten kirchlich verantwortet und garantiert wird. Die Vielfalt der theologischen Forschungseinrichtungen ist kostbarer Ausdruck unserer demokratischen Verfassung. Dafür sind wir sehr dankbar, denn Forschungsfreiheit ist auch heute keineswegs selbstverständlich.“

Forschungsfreiheit: Universelles Recht und öffentliches Gut

Das 75. KiHo-Jubiläum fiel fast auf den Tag genau mit der „Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit“ zusammen, die die Wissenschaftsminister*innen der Europäischen Union am 20. Oktober 2020 verabschiedet hatten. Darin unterstreichen sie angesichts der Entwicklungen in vielen Ländern die Bedeutung der Forschungsfreiheit als „universelles Recht“ und „öffentliches Gut“. Zudem verpflichten sie sich, den kritischen Diskurs zu schützen und Verletzungen der Forschungsfreiheit zu ächten.

An der KiHo gedachten die Lehrenden und Studierenden der Bedeutung einer unabhängigen Forschung und Lehre am Freitag, dem 30. Oktober, um 19 Uhr mit einem virtuellen Dankgottesdienst, in dem sie u.a. Texte über die Gründung der KiHo in Wuppertal während der Nazi-Diktatur, über die Jahre des Neustarts nach 1945 sowie über die aktuellen Diskussionen um Forschungsfreiheit in Europa und weltweit lasen. Zudem gab es Berichte aus erster Hand darüber, wie das Studium an der KiHo die Generationen verbindet.