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Was kleine Unterschiede in Bibel-Übersetzungen über den antiken Zeitgeist verraten

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Dr. Matthias Geigenfeind



Veröffentlicht am 8. Februar 2022

Die Bibel entstand nicht aus einem Guss. Ihre Texte wurden vielfach überarbeitet und übersetzt, allerdings nicht immer wörtlich. Wie sich der theologische Zeitgeist in den Abweichungen vom Original spiegelt, hat Dr. Matthias Geigenfeind in seiner Dissertation gezeigt. Dafür wurde er jüngst mit dem renommierten Armin Schmitt-Preis ausgezeichnet.

Die Offenbarung des Johannes gilt als eine der wirkmächtigsten Texte des Neuen Testaments. Während die Schrift im griechisch-sprachigen Osten des Mittelmeerraums lange Zeit eher ein „Buch der Sieben Siegel“ blieb, erfreute sie sich in der lateinischen Welt einer großen Beliebtheit – sicherlich auch, weil sie schon bald nach ihrem Entstehen – allerspätestens im 3. Jahrhundert n. Chr. – ins Lateinische übersetzt wurde. Die frühe „Vetus Latina Apocalypsis Johannis“ gilt daher als wegweisender Text aus kirchengeschichtlicher und theologischer Perspektive.

„Hinzu kommt, dass sich in den Übersetzungen inhaltliche Abweichungen finden, die ganz bestimmte Tendenzen aufweisen, die nicht zufällig sind“, sagt Dr. Matthias Geigenfeind. In Fachkreisen spricht man diesbezüglich von „Translational Tendencies“. So gewinnt Gott bei synchroner Lektüre an Schönheit und Größe. Während er beispielsweise im griechischen Original als derjenige beschrieben wird, der „Wasser in Blut“ verwandeln könne, erweitert die lateinische Übersetzung seinen Wirkungskreis zu „alles Wasser in Blut“. An anderer Stelle wird Gott im Zuge der Übersetzung vom „Herr des Himmels“ zum „Herr des Himmels und der Erde“ befördert. „Solche Beispiele lassen sich vielfach finden“, erklärt Geigenfeind. „Es liegt daher auf der Hand, dass die lateinischen Autoren damit eine Wirkung zu erzielen versuchten.“

“Je später die Texte, desto stärker frömmeln sie”

Geigenfeinds Dissertation entstand im Rahmen seiner Mitarbeit an der „Editio Critica Maior (ECM) der Johannesapokalypse des Neuen Testaments“, einem Forschungsprojekt an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, das von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gefördert wird. In der Dissertation „Wirkung durch Übersetzung. Die Vetus Latina Apocalypsis Johannis in Nordafrika am Beispiel von Offb 11–12“ legte er einen bislang eher unbekannten Blick auf die Rolle von Kirche, Theologie und Christentum sowie der Marienfigur in der Offenbarung des Johannes frei. Durch den unmittelbaren Vergleich des griechischen Ausgangstextes, wie er „Novum Testamentum Graece“ zu finden ist, mit dem altlateinischen Text förderte er einen bedeutsamen „Mehrwert“ zu Tage, der sich wie ein „Fenster“ öffnen lässt, das einen weiten Blick in die biblischen Schriften ihrer Wirkung sowie Rezeption und damit in den Zeitgeist der Spätantike bzw. des frühen Mittelalters erlaubt.

„Je später die Texte, desto stärker frömmeln sie“, sagt Geigenfeind, der diese Tendenz mit dem Untergang des weströmischen Reiches und dem damit verbundenen politischen Machtwechseln erklärt. „Die Glorifizierung Gottes lässt sich durchaus als stiller Protest gegen die neuen Herrscher werten.“

Geigenfeind wurde für seine Dissertation mit dem renommiertem Armin Schmitt-Preis ausgezeichnet

Auch das Marienbild änderte sich zu jener Zeit signifikant. So wird die „Apokalyptische Frau“ ab dem Mittelalter gerne als „Jungfrau Maria“ interpretiert. In der griechischen Urfassung wie auch den frühen lateinischen Texten hingegen lassen sich auf diese Deutung laut Geigenfeind noch keine Hinweise finden.

Wie bedeutend diese Erkenntnisse für die biblische Textforschung insgesamt sind, wurde Geigenfeind nun von Fachkreisen bestätigt. Die Armin Schmitt-Stiftung, die die intensive Auseinandersetzung mit den biblischen Grundsprachen und Grundtexten fördert, verlieh ihm den mit 1.000 Euro dotierten Armin Schmitt-Preis 2021.

In seiner Dissertation „Wirkung durch Übersetzung. Die Vetus Latina Apocalypsis Johannis in Nordafrika am Beispiel von Offb 11–12“ legte Dr. Matthias Geigenfeind einen bislang eher unbekannten Blick auf die Rolle von Kirche, Theologie und Christentum sowie der Marienfigur in der Offenbarung des Johannes frei.