Veröffentlicht am 13. Januar 2022
Die Kirchliche Hochschule Wuppertal trauert um die emeritierte Professorin für Kirchengeschichte Prof. Dr. Susanne Hausammann, die am 31. Dezember 2021 im Alter von 90 Jahren verstorben ist.
Sie kam am 2. März 1931 in Zürich zur Welt und wuchs im nahen Wallisellen auf. Nach der Ausbildung zur Grundschullehrerin und erster Berufstätigkeit entschloss sie sich zum Theologiestudium, das sie 1955 in Zürich aufnahm und das sie über Bern und Bonn wieder dorthin zurückführte, wo sie 1960 das Theologische Examen ablegte.
Sie hatte das Studium, beindruckt von der liberalen Theologie Albert Schweitzers und Martin Werners mit intellektuellem Erkenntnisinteresse aufgenommen und ließ sich als begabte Studentin an die wissenschaftliche Weiterarbeit heranführen. 1966 wurde sie in Bonn mit einer Studie zu Heinrich Bullingers Römerbriefauslegung promoviert. Seit 1960 sammelte sie als Assistentin in Göttingen und Bonn sowie nach der Promotion in Erlangen umfangreiche Lehrerfahrung. In Erlangen erarbeitete Hausammann ihr zweites Buch über die Buße als Umkehr und Erneuerung in der Theologiegeschichte seit dem Mittelalter. Diese – schließlich 1974 erschienene ‒ Studie war zur kirchengeschichtlichen Habilitation vorgesehen, die durch den 1970 an sie ergehenden Ruf an die Kirchliche Hochschule Wuppertal hinfällig wurde.
An unserer Hochschule hat Susanne Hausammann von 1970 bis zu ihrer Emeritierung 1993 mit großem Erfolg und nachhaltiger Wirkung gelehrt und geforscht. Sie vertrat das Fach Kirchengeschichte in seiner ganzen Breite mit einer deutlich theologiegeschichtlichen Akzentsetzung. Sie war eine begeisterte und begeisternde akademische Lehrerin, beliebt bei den Studierenden für ihre Fähigkeit, komplexe theologische Problemstellungen und Streitigkeiten plastisch, verständlich und auf der Grundlage ihrer stupenden Quellenkenntnis zu erläutern. Neben der vertieften Beschäftigung insbesondere mit der Theologie der Alten Kirche und der Reformatoren – neben den Schweizer Theologen gehörte ihre Liebe auch Martin Luther ‒ erschloss sie sich und den Studierenden auch die historisch-theologische Frauenforschung, indem sie 1984 die Sozietät „Frauen im Kirchenkampf“ gründete, ein kontinuierliches Lehr- und Forschungsprojekt, aus dem der 1996 erschienene Aufsatzband „Frauen in dunkler Zeit“ hervorging. Damit wurde sie zu einer Vorreiterin für die spätere Profilierung der Kirchlichen Hochschule im Bereich von feministischer Theologie und theologischer Genderforschung. Im Kollegium wurde Susanne Hausammann hochgeschätzt; dreimal übte sie das Amt der Rektorin unserer Hochschule aus. Über ihre Emeritierung hinaus blieb sie der Hochschule noch bis zum Ende der 1990er-Jahre durch die sehr beliebten Vorlesungen zur christlichen Kunst verbunden, pflegte aber auch die Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen, auch der nachfolgenden Generation mit der ihr eigenen Herzlichkeit.
Das theologische Forschen von Susanne Hausammann erhielt seine ganz eigene ökumenische Note, als sie sich ab der Mitte der 1970-er Jahre immer intensiver mit der ostkirchlichen Orthodoxie befasste und sich 1976 sogar in deren sakramentale Gemeinschaft aufnehmen ließ und so – in ihrem eigenen Selbstverständnis – zu einer orthodox praktizierenden evangelischen Christin und Theologin wurde. Dieser Schritt löste kirchliche Irritationen und Diskussionen aus, die sich aber überwinden ließen: Hausammann blieb mit ihrer besonderen spirituellen Prägung eine beliebte und geachtete Lehrerin der Evangelischen Theologie in der Gemeinschaft der Kirchlichen Hochschule und der Evangelischen Kirche im Rheinland. Anlässlich ihrer Emeritierung wurde ihr die Publikation der von ihr initiierten Ringvorlesung zum Thema „Kirche – Kontinuität und Wandel“ gewidmet.
Die ökumenische Existenz auf der Brücke zwischen evangelischem Westen und orthodoxem Osten prägt auch das umfangreiche literarische Werk Hausammanns, das sie nach ihrer Emeritierung in ihren Studierstuben im orthodoxen Kloster in Geilnau/Lahn und im heimatlichen Wallisellen erarbeitet hat, darunter die fünfbändige Geschichte der Alten Kirche (2001‒2005), aber auch zahlreiche Monographien und Aufsatzbänden zu theologischen Themen der altkirchlichen und der byzantinischen Theologiegeschichte und zu theologischen Problemstellungen in westlicher und östlicher Theologie, u.a. zur Willensfreiheit (2009), zur Pneumatologie (2011), zur Worttheologie (2013), zur Gotteserkenntnis (2016) und zur Christologie (2018). Susanne Hausammann war und blieb bis ins hohe Alter eine leidenschaftliche Leserin der Quellen und eine nicht minder leidenschaftliche theologische Schriftstellerin. Gerade ihre Quellenkenntnis macht ihr literarisches Oeuvre so wertvoll. Deutlich ist überdies durchgängig der Versuch, das Werk der altkirchlichen und byzantinischen Theologie des Ostens nicht nur historisch zu verstehen, sondern es auch in das Ringen um eine theologische Existenz in der Gegenwart einzubringen. Als orthodox-evangelische Theologin hat Susanne Hausammann dann auch sowohl die Ausgabe der orthodoxen Tagzeitengebete wie die eines „Glaubensbuches“ zur ostkirchlichen Liturgie (Christus in euch, 1982, neu bearbeitet 1994) erarbeiten können. Ihre Perspektive für ökumenische Gemeinschaft hat sie wegweisend so formuliert: „dass keine Kirche die andre zu Aufgabe ihrer Tradition zu verleiten sucht, sondern nur gerade das demütige Eingeständnis erwartet wird, dass die eigene, historisch bedingte Weise der Partizipation an der göttlichen Wahrheit nicht ausschließt, dass andere Kirchen in anderen historischen Kontexten auch auf anderen Wegen, die sich der eigenen Erkenntnis verschließen, zur vollen Teilhabe an der göttlichen Wahrheit und Herrlichkeit geführt werden“.
Die Kirchliche Hochschule Wuppertal gedenkt dieser klugen und warmherzigen Forscherin, Lehrerin und Kollegin in großer Dankbarkeit und verbindet sich mit allen, die um sie trauern in dem Glauben an Christus, den Herrn ‒ „denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ (Kol 2,9). In diesem Glauben hat Susanne Hausammann gelebt und gewirkt. In ihm ist sie am Silvestermorgen in Wallisellen gestorben. Requiescat in pace!
Wuppertal, am 12. Januar 2022
Prof. Dr. Hellmut Zschoch